Antikrisenimpressionen, oder: Berlin, die dritte…

Der Paranoiker sitzt in der Oranienburgerstraße in (bzw. vor) seinem ‚Stamminder’ (kann er inzwischen wirklich behaupten, war er doch bei drei aufeinander folgenden Berlin-Besuchen hier) und wartet auf sein Essen, am Tisch nebenan ein schwules und ein Hetero-Pärchen, alle vier ziemlich rausgeputzt… ‚Hab ich euch det schon erzählt? Neulich anne Ampel, da is hinter mir so’n Drängler, weeste, da is die Ampel g’rade mal auf gelb, da hupt der schon, und denne bei grün schon wieder – da hab ick mir jedacht, na warte, dich krieg ick: Ick raus, macht der det Fentster runter, sag ick: Hupe jeht noch, jetzt mach ma’ Blinker!’. Die Reaktion der Frau ist eindeutig: ‚Hä, versteh ick nüscht!’ ‚Na, ‚Hupe jeht noch, jetzt mach ma’ Blinker’, verstehste? Jetzt mach ma’ Blinker, weil Hupe jeht noch…’ So geht das dann die nächsten Minuten weiter, und der Paranoiker ist zwar um einen neuen guten Spruch froh, aber ansonsten bald jenervt.

Gibt es eigentlich irgendetwas, was es in Berlin nicht gibt, im Guten wie im Schlechten? Hier ein Beispiel für ‚ìm Guten’: Direkt neben dem Hotel entdeckt der Paranoiker im Halbparterre einen Kleinen Laden, der seine Aufmerksamkeit fesselt.

Senfsalon
Senf in allen Variationen und Spielarten – kann so ein Laden denn gehen? Die Besitzerin schmunzelt ob dieser Frage; den Laden gäbe es nun schon seit ein paar Jahren, und verkaufen würden sie weltweit über das Internet, sie seien da schon so ein wenig berühmt. Toll!

Berlin von oben! Den Paranoiker zieht es immer wieder hinauf auf Türme und Kuppeln, was vielleicht daran liegt, daß er Berlin bei seinem ersten Besuch nur von unten und noch mit jenem Bauwerk erlebt, das zu errichten niemand die Absicht hatte – die einzige ‚hohe’ Aussicht, die er damals, knapp ein halbes Jahr, bevor dieses Bau-Schandwerk im wahrsten Sinne des Wortes überwunden wurde, hatte, war von einer der Plattformen, von denen aus man über den Todesstreifen hinweg zu den Grenzern schauen konnte, die einen mit Ferngläsern beobachteten, wohl immer in der Angst, man könnte vom Westen genug haben und in ihr antifaschistisches, antikapitalistisches und sozialistisches Idyll einbrechen und dieses unterminieren. Welche Wohltat, am Brandenburger Tor zu schlendern und die ‚Remineszens’ an die Mauer erst wieder suchen zu müssen, jenen Steinstreifen, der so unscheinbar in der Straße verläuft.

'Mauerreste'

Und umso befreiter der Blick, z.B auch vom Dom, da zum Teufelsberg, wo die Abhöreinrichtungen der Amis herübergrüßen, da zum Alexanderplatz, wo der Fernsehturm im Sonnenlicht sein Licht-Kreuz auf der Kugel trägt, rüber wieder zum Funkturm, dann zum Potsdammer Platz, jenem Brachland, das der Paranoiker vor ein paar Jahren nicht mehr wiedererkennen konnte (und wollte) – Berlin, du tolle Stadt, ja: du Schöne!

Auch dieser Besuch geht zu Ende… der Paranoiker geht zur Anmeldung, will seine Hotelrechnung begleichen. ‚Na, se ham ja noch ne schöne Ecke vor sich – aus welcher Ecke von Regensburg komm’se denn?‘ Äh, wieso? ‚Na, in unserm Alter, da fährt man ja nich mehr so jerne so lange Strecken, und wenn wir nach Italien runter machen, dann halten wa immer uf halber Strecke in Regensburg‘. Also fahren die Regensburger nach Berlin und die Berliner auf Regensburg? ‚Na, so sollet doch sein, oder?‘ Ja, so soll es sein!

Brandenburger Tor am Abend

 

4. Teil der Trilogie

Ein Gedanke zu „Antikrisenimpressionen, oder: Berlin, die dritte…“

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