Earth 3.0 – Teil 1

Das Signal auf dem Display musste wohl schon eine Weile geblinkt haben, bis der Wächter es endlich entdeckte. Kein Wunder, bei der Menge an zu überwachenden Signalen und der allgegenwärtigen Müdigkeit, die ihn in dieser Schicht nun schon mehrfach übermannt hatte. Doch nun musste schnell gehandelt werden, um größeren Schaden und vor Allem größere Aufmerksamkeit der Vorgesetzten zu verhindern. Außerdem hatte es noch nie einen Fehlalarm gegeben. Der Wächter drückte ohne weitere Verzögerung den Alarmknopf.

 

Normalerweise arbeiten die Energieinspektoren grundsätzlich zu zweit, doch zu dieser Tageszeit war JW00 der einzige Inspektor weit und breit und außerdem wollte keiner der anderen 16 Inspektoren eine Schicht mit ihm teilen. Einige hatten einmal versucht gemeinsam Dienst mit ihm zu schieben, doch JW00s charakterliche Eigenarten, eine gewisse Schrulligkeit, gepaart mit einer unerträglichen Wortkargheit und gelegentlich dem extremen Gegenteil, machten alle Versuche der Aufsichtsbehörde zunichte, einen passenden Partner für ihn zu finden.

So rückte sich JW00 seine Nickelbrille zu recht und trabte in den Kontrollraum, wo er schweigend in der Tür stehen blieb.
„Energieverlust im Sektor 3212, dort verlieren gleich drei der Reserveakkus Saft und mit der Einspeisung sind sie auch hinterher, übernimmst du?“
JW00 nickte nur und schlurfte in Richtung Fahrradpark davon, wo er sich ein Einsatzfahrzeug holen würde.

Das hatte ihm gerade noch gefehlt: “Einspeisungsrückstand“. Eine der häufigsten und nervigsten Problemfälle für die Energieinspektoren. Zum Glück schafften es die meisten Menschen, ihre tägliche Stunde der Stromerzeugung, in den „Tretmühlen“ genannten Aufladestationen, die in jedem Keller der Wohnanlagen zu finden waren, abzuleisten. Aber eben nicht alle. Da wurde es dann schnell persönlich und man musste sich die abenteuerlichsten Entschuldigungen und Ausflüchte anhören, mit denen die Menschen ihre Energieschuld erklärten, bevor sie meistens dann doch bestraft werden mussten.

 

Ach, wie sich doch die Welt verändert hat in den kurzen 18 Jahren nach dem Ende der „Vorzeit“, dachte JW00, der einige Semester Katastrophenlehre studiert hatte, bevor er, wohl aus mangelnder Inspiration, dann doch Energieinspektor geworden war und zwar wider Erwarten einer der besten seines Berufsstandes.

 

Allerdings konnten sich nur noch wenige Überlebende wirklich daran erinnern, wie das Leben vor dem völligen Abschmelzen der Gletscher und der Pole und vor allem vor den überraschend plötzlich ausgebrochenen aber sehr kurzen und effizienten Ölkriegen gewesen war. Das Problem der Überbevölkerung hatte sich dadurch für eine gewisse Zeit erledigt, genauso, wie die Ölvorräte der Erde. Verbrannt, gesprengt sogar mit furchtbarerem Schaden für die Umwelt, als während der friedlichen Zeit, die so friedlich ja auch nicht gewesen ist: Siehe 1. Semester Katastrophenlehre!

 

Was allerdings in der friedlichen Vorzeit angenommen worden ist, dass nämlich die Menschheit nach dem großen Knall wieder bei Null anfangen müsste, war längst widerlegt.
Die vorhandene Technik wurde in vielen Bereichen erfolgreich angepasst, von der intelligenten Stromerzeugung durch Sonnenenergie und Wind, der effektiven Speicherung in Brennstoffzellen der Xten Generation, bis hin zur hocheffizienten Meerwasserentsalzung und Kondenswassererzeugung. Alles Technologien, die ständig weiterentwickelt wurden und das Überleben gesichert hatten.

 

Nur leider war das alles eben doch nicht genug, um all die stromfressenden Überlebensanlagen mit Energie versorgen zu können. So kam es, dass jeder Bürger seinen Beitrag leisten musste, zusätzlich zu seinen öko-beruflichen Aufgaben.

Dieser Beitrag musste täglich in eben jenen erwähnten Tretmühlen, mit denen jede Wohnanlage ausgestattet war, geleistet werden. Dort sitzen oder liegen die Menschen an heimtrainerartigen Geräten und erzeugen Energie, durch Strampeln oder Kurbeln, und zwar ausnahmslos Jeder und Jede, ob Mitglied der Föderationsregierung oder einfache Arbeitsbiene.

Das Verfahren war technisch so ausgereift, dass sich so jede Wohneinheit, mit immerhin im Schnitt 200 Menschen, energetisch selbst versorgen konnte und darüber hinaus Energie ins Netz einspeiste.

 

Während er über den ständigen Wandel der Zeiten nachdachte, hing JW00 bereits in einem der Förderbänder, die unterirdisch den Radfahrern ein schnelleres Vorankommen ermöglichten. An der Abzweigung zum Sektor 3212 ließ er die flexible Halterung los und rollte geräuschlos in den Nebentunnel.

Da 3212 der Sektor war, in dem sein missratener Halbbruder RW00 lebte, beschloss JW00 heute früher Feierabend zu machen, wenn es der aktuelle Fall denn zuließe, um den längst fälligen Anstandsbesuch zu machen – und Berichte konnten auch am nächsten Tag noch verfasst werden.

 

So ein Verhalten konnte sich in der Ökodekade 2 eigentlich niemand mehr erlauben – einer der wenigen Vorzüge des Berufes der Energieinspektoren. JW00 grinste still vor sich hin, denn es gab noch einen zweiten Vorteil, den dieser Job allen anderen Voraus hatte.
Mit seinem Universaldekoder öffnete er den Eingang zum Kontrollraum der Wohnanlage, entschlossen, dem lokalen Problem, schnell und effektiv auf den Grund zu gehen.

To be continued…

Der zweite Teil folgt, wenn sich drei LeserInnen finden, die es sich in einem hier abgegeben Kommentar wünschen!

6 Gedanken zu „Earth 3.0 – Teil 1“

  1. Antwort an alle Paranoiker:
    Vorsicht! – Diese Seite wird überwacht!

    Allerdings hält sich der Aufwand in Grenzen, bei den drei regelmäßigen Besuchern hier, gelle!
    *g*

  2. Natürlich ist der Krisenmanger voll drauf reingefallen und hat nicht bemerkt, dass gleich zwei Kommentare von ein und derselben Person kommen – Grund genug jedoch für den Autor Renaldo sich geschmeichelt und gebauchpinselt zu fühlen. Er hat mir per mail versichert, dass der zweite Teil heute also 15.09.2012 veröffentlicht wird – kann natürlich irgendwann am späten Abend sein. Was er mir noch verraten hat ist, dass es einen dritten Teil gibt, dessen Veröffentlichung wohl etwas schärfere Bedingungen mit sich bringen wird!
    Grüße
    Euer Krisenmanager

  3. Ick wees zwar nich, worum et hier jeht, aber junge Autoren sollten wa unterstützen!
    Bin dafür!
    Oder dajegen?
    Egal!
    Teil 2 bitte!

  4. Die Überaschung des Frühherbstes!

    Welch wortgewaltige Vorstellung, die der bislang kaum in Erscheinung getretene Autor, der unter dem geheimnisvollen Pseudonym ‚Renaldo‘ verfasst, hier in seinem romanösem, von Science Fiction Anlehnungen durchdrungenen Erstlingswerk zu Papier bringt, äh, …, auf den Bildschirm zaubert! Welch atmosphärisch dichtes Gewebe aus düsterer Zukunftsprophezeiung und niederschmetternder Gegenwartskritik! Renaldo schafft es mühelos, apodiktische Wahrheit mit Orwell’scher Phantasie zu paaren und den Leser in seinen Bann zu ziehen… auch wenn der unter Umständen überhaupt nicht versteht, worum es in diesem Erstlingswerk geht – doch gerade der Umstand, dass der Autor sein potentielles Lesepublikum mit der Auflage, mindestens drei Kommentare zu erhalten (was, wie der geneigte Besucher der Seite, auf der die Erzählung veröffentlicht wurde, ohnehin weiß, ein ziemlich unmögliches Unterfangen ist und von einer gewissen Abgehobenheit des Autors zeugt), bevor der Faden weitergesponnen wird, geradezu erpresst, gibt der Story Tiefe und verheißt mehr… ob Gutes oder nicht, wird das Lesepublikum vielleicht bald erfahren… wenn sich hier noch jemand erbarmt, einen Kommentar abzugeben… hallo… jemand da?? …

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