Entsorgung

Habe gerade circa 300 Musik-Cassetten entsorgt. Das war nicht einfach. Zuerst habe ich mir einen Plastiksack für die Bänder zurecht gelegt, einen Karton für die Papier-Inlays und einen gelben Sack für die Kunststoffhüllen. So, das war der leichtere Teil.  Los geht’s!tapes01

Doch allein die Jahreszahlen auf den Hüllen und Aufklebern bringen mich schon ins Wanken. Meine Bänder aus den 80er Jahren sind ja wohl zeitgeschichtliche Artefakte von unschätzbarem Wert – allein die zehn 120er Tapes mit den gesammelten Werken von Grateful Dead, die mir mein damaliger Schwager Alfons aufgenommen hat.
Was aus dieser Zeit habe ich sonst noch an materiellen Dingen? Da gibt es nicht mehr viel, ausser dem Ledergürtel, den mir mein Opa vererbt hat. Die Kinder sind aus dem Haus und die Frauen von damals sind auch Geschichte.

reiner 01Schlimm wird es jetzt, denn es sind die späten 90er dran. Da gibt es die Mixtapes, die mir CB geschenkt hat – die einzigen, die ich je von einer Frau bekommen habe! Sind, oder besser waren, Mixtapes Männersache?
Ich habe diese Tapes auf meinen langen Autofahrten gehört und Tränen der Sehnsucht dazu geweint – als musikalische Begleitung zu den diversen Trennungen. Da war auch einiges an musikalischem Neuland für mich zu entdecken. Wie liebevoll die Covers gestaltet waren, mit eingestickten Wollfäden und Glitzerpapier – schnell weg, mir kommen schon wieder die Tränen.

Und hier, die letzte Ausgabe der gigantischen Zusammenstellung der Entwicklung meines Musikgeschmacks  – von den folkigen Anfängen (Hannes Wader und Lämmerhirt, ah!) über den Motown-Soul und 70er Jahre Rock, zurück zu Bluegrass und Alternative Country. Dann noch weiter zurück, weil ich von der Plastik-Rock Ära der 80er nichts hielt, zu Singer-Songwriter Material von Jackson Browne und John Hiatt und den amerikanischen „Topic“-Liedermachern der zweiten Generation, nach Pete Seeger und Browne McGhee: Phil Ochs „Pleasures Of The Harbour“ und Bob Dylan und sogar Joan Baez, von der es zumindest zwei fantastische Platten gibt „Blessed Are“ und „Come From The Shadows“. Das sind insgesamt 3 Holzkistchen mit jeweils 10 Kassetten. Die Kästchen habe ich mir damals von Armin unserem Hausschreiner machen lassen. Insgesamt habe ich wohl ein halbes Jahr lang Kassetten kopiert. Diese Sammlung war bei einigen aus dem Freundeskreis sehr beliebt, ich musste sogar nachproduzieren. Weg damit! Was ist aus dem Freundeskreis geworden?
Wenn ich so weitermache, dann brauche ich mindestens drei Wochen – jetzt muss ich effektiver rangehen und ich werfe die nächste und übernächste Palette unbesehen in die Tonne.

Scheiße, hireiner 02er sind auch Videotapes von meinem Summer Of Love 1998 mit CB, wegschmeißen kannn ich die nicht. Während es mir das Herz zusammenschnürt und ein nicht unbekannter Druck sich auf die Seele legt – verschwinden die Dinger ganz hinten im Schrank!

Die 90er sind also durch und ich bin nun bei den Tapes mit meinen eigenen Aufnahmen gelandet. Produziert mit meinem  guten alten Fostex Vierspur Kompaktstudio. Ich kann die Bänder zwar nicht mehr abspielen, denn damals wurden 4 Spuren parallel aufgezeichnet. In einen Standardkassettenrecorder eingelegt würde quasi die Vorder- und die Rückseite gleichzeitig abgespielt werden und das mit der doppelten Geschwindigkeit – was unerträglich klingt – aber wegwerfen kann ich das Zeug trotzdem nicht. Es könnten sich ja unbekannte Schätze darauf befinden!

Der Rest wird unbesehen vernichtet – bevor ich noch völlig in sentimentale Gefilde abdrifte. Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Erinnerungen hochkommen und dass so viel von dieser CB da drin war. Vielleicht hilft es, dass das jetzt alles unwiederbringlich weg ist. Im Moment fühlt es sich noch nicht so an! Mal sehen!
tapes02