Die zwölfte Krise, oder: ‚I’m a collector…‘

Der Paranoiker hat Fernweh – kein Wunder angesichts des grauen Himmels und der Miniwindhosen, die die mühsam angehäufelten Laubberge im Garten durch die Luft wirbeln lassen,  und glücklicherweise erstreckt sich des Paranoikers Paranoia nicht auf fremde Länder und Kulturen. Vor einem Jahr weilte er in Jordanien und erfüllte sich damit einen lang gehegten Wunsch, und auf den Tag vor einem Jahr (selbst die Uhrzeit dürfte einigermaßen passen) stand er auf dem Mount Nebo, dem Mosesberg, auf dem der alte Wanderer das gelobte Land erblickt haben und dann gestorben sein soll – leider war die Sicht etwas getrübt, so daß die goldenen Kuppeln Jerusalems (die natürlich auch Moses damals noch nicht sehen konnte) im Dunst nicht auszumachen waren, und auch das Tote Meer (links ‚im Bild‘) war nur am gelegentlichen Glitzern und Funkeln zu erahnen.Vom Hüter des Tors kam, während er den Eintrittsobulus kassierte, das übliche ‚Where do you come from?‚, und er meinte dann freudestrahlend, he, Deutschland, genau wie der Papst – dem habe er auch das Tor geöffnet, allerdings, so fuhr er dann leiser und etwas verschwörerisch fort, habe dieser keinen Eintritt gezahlt… Da sieht man sie mal wieder, die soziale Ungerechtigkeit – einer der reichsten Männer kommt in alle Sehenswürdigkeiten umsonst rein…).

Und während der Paranoiker in Erinnerungen schwelgt, erinnert er sich eines Iren, den er vor fast zwanzig Jahren bei einer Fahrad-Tour durch Irland traf (und der ihm, nach vier Wochen irischen Wetters gesundheitlich etwas angeschlagen, einen ausführlichen Überblick über alle vor Ort verfügbaren Anti-Erkältungsmittel gab – dumm nur, daß diese ganzen Mittelchen unglaublich viele ’s‘ und ‚th‘ enthielten, was ja an sich nicht schlimm gewesen wäre, jedoch angesichts der Tatsache, daß die Unterhaltung  im Waschraum einer Dubliner Jugendherberge stattfand und besagter Ire gerade den Mund voller Zahnpasta mitsamt Zahnbürste hatte,  schnell eine nervige Komponente erhielt…), welcher für sein Leben gerne reiste – und, so erzählte er, eines Tages fragte ihn ein Bekannter, warum er das denn mache mit dem vielen Unterwegssein, woraufhin er ihm geantwortet habe: ‚I’m collecting!‘ Da sei der Bekannte hellhörig geworden, und wollte natürlich gleich wissen, was er denn sammle. ‚I’m collecting memories!

Wenn das nicht mal eine tolle Begründung für des Paranoikers Fernweh ist!

(Nur der Vollständigkeit halber noch mal zurück zu Irland und der Erkältung: Der Paranoiker hatte glücklicherweise schon im Vorfeld der abendlichen Zahnpastabegenung eine Dubliner Apotheke aufgesucht und die nette Dame gefragt, was sie ihm denn gegen eine Erkältung empfehlen könne  – aber bitte nichts zu starkes, schließlich wolle er sich auch noch etwas von der Stadt anschauen – worufhin sie entschlossen nach einem Mittel griff, das gaaaaanz schwach sei – dies sei die ‚Tag-Ration‘, es gebe es auch zur abendlichen Einnahme, da sei die Dosierung dann aber etwas stärker. Der Paranoiker vertraute, schluckte die Pille und erhob sich zwei volle Tage nicht mehr von seiner Lagerstatt, so sehr beamte ihn das Medikament von dannen – die Erkältung war danach aber weg. Seitdem grübelt er, welche Wirkung wohl die Nacht-Ration gehabt hätte und bedauert, sich den Namen dieses Wundermittels nicht notiert zu haben…)