Der Paranoiker ist noch immer aufgedreht, weilte er doch gestern seit laaaaaanger Zeit endlich einmal wieder auf einem großen Konzert, hatte sich doch PJ Harvey für einen Zusatztermin (liebe B., nochmals ganz herzlichen Dank, daß du den Paranoiker auf selbigen aufmerksam gemacht hattest!) in der Landesmetropole angekündigt. Und so fuhr er denn, nachdem er schon vor Wochen glücklich eine Karte zu exorbitantem Preis (er muß gestehen, daß seine Konzerterfahrungen mit Größeren der Branche noch aus D-Mark-Zeiten stammen, somit wohl auch nicht mehr repräsentatitiv sein dürften…) ergattert hatte, Richtung Süden und ließ sich von der netten Reisebegleiterin (klingt angenehmer als ‚Navi’) durch die Straßen von München bis hin zum Winterbau des Zirkus Krone lotsen, denn genau jener war dann auch der Veranstaltungsort.
Wo er drangvolle Enge vermutet hatte, lümmelten ein paar wenige Menschen vor der Absperrung, so daß sogar noch Zeit und Luft blieb, bei der Security nachzufragen, wo im großen Rund denn die besten Plätze seien. ‚Auf’m Balkon, da haste Kein’ mehr vor dir und kannst die Hax’n ausstrecken, gleich der zweite Vorhang vor der Manege rechts rauf.’ Danke, lieber unbekannter Schützender, für diesen guten Tip! Das mit den Hax’n hat zwar nicht gestimmt, und die gesamte Sitzreihe (jawohl, Bestuhlung! – kommt einem ab einem gewissen Alter ja aber auch schon wieder entgegen) neigte dazu, sich zu neigen, und zwar nach vorne, als wolle sie einen näher an das Geschehen hinan kippen, aber die Sicht war wirklich exzellent. Aber erst muß man ja mal rein, und da wird natürlich des Paranoikers Tasche kontrolliert. ‚Getränke sind verboten!’, und – zack – wandert seine Wasserflasche in den Müllsack. Hallo?
Krise!
Das gute Wasser, äh, nun gut, Discountwasser halt, aber, äh, das Pfand…! Na, jetzt mal nicht kleinlich sein… Also muß sich der Paranoiker, dem Alkohol ob der noch bevorstehenden Heimfahrt abhold bleibend, mit überteuertem Gluckerwasser begnügen, doch der Kronebau entschädigt – und auch die Bühne ist spannend: Hinter dem Keyboard eine alte Kirchenbank als Sitzmöbel, die Monitorboxen allesamt aufgebockt auf alten Stühlen, ein zweites Keyboard auf einem alten Holztischchen, und ganz links, weit ab von der wie eine Wagenburg wirkenden Ansammlung von Boxen und Instrumenten, steht ein einsames Mikrophon, vor dem sich schon ein paar Ultrafans versammelt haben. Warum, das wird bald klar, denn just dort steht SIE den ganzen Abend über, ganz in Schwarz, mit schwarzen Federn auf dem Kopf, und singt. Wow! Zwar wabert der Sound gerne etwas zwischendurch, aber das macht sie locker mit ihrer Stimme wieder wett. Und gibt sogar drei Zugaben! Der Paranoiker gänsehautet sich durch das gesamte Konzert hindurch und nimmt sich vor, mal wieder öfters auf Konzerte zu gehen, vor allem dann, sollte Polly Jean mal wieder eines in der Nähe geben.
Draußen haben sich inzwischen die Schleusen geöffnet, und der Regen fällt nach kurzer Zeit nicht mehr vom Himmel, nein, er klatscht einfach so runter. Wie hat es der Paranoiker früher (also bis vor Kurzem) eigentlich geschafft, sich zu orientieren? Ohne Satelittenhilfe wäre er jetzt aufgeschmissen: keine Fahrbahnmarkierung erkennbar, die Scheiben beschlagen, und alle paar Minuten wird die Szenerie von grellen Blitzen erleuchtert, deren nachfolgender Donnerschlag den Paranoiker immer befürchten läßt, er habe gerade ein wichtiges Autoteil verloren (das kommt davon, wenn man immer nur Uralt-Autos fuhr…) – aber irgendwie schafft er es dann doch nach Hause, auch wenn er unterwegs ab und an unbewußt das Gefühl hat, er müsse seine Maske ausblasen, so sehr erinnern ihn die Wassermassen ans Tauchen, zumal die LKWs mal wieder ihren alten Wettbewerb austragen, wer größerer Mengen an Wasser verdrängen und auf die Windschutzscheiben überholender PKW schleudern kann.
Ein toller Abend – danke an eine großartige Musikerin!
Aber das mit der Wasserflasche…