Archiv der Kategorie: JottWehs Welt

Eine vierundzwanzigste Antikrise, oder: Leiterfragen…

… da läuft der Paranoiker durch die nachweihnachtliche Regensburger Innenstadt und hat eine Klappleiter unter dem Arm (warum ist jetzt eigentlich egal und tut hier nichts zur Sache und ist eine ganz andere Geschichte), als ihm drei Punks oder zumindest Punk-ähnliche junge Gestalten (so genau läßt sich das ja heutzutage nicht mehr kategorisieren – und ‚Gestalten‘ klingt jetzt auch irgendwie komisch, aber dem Paranoiker fällt gerade kein anderes Wort ein… und immerhin hat ja auch schon weiland Goethe von den sich  nahenden schwankenden selbigen…äh, ok, das schweift jetzt etwas ab und tut hier ja auch nichts zur Sache…), also, äh…, genau: Paranoiker mit Leiter und drei Punks kommen ihm entgegen, woraufhin einer der drei ruft: ‚Eh, is das ne Kamera oder is das ne Leiter?‘. ‚Ne Leiter‘ fällt dem Paranoiker originellerweise ein. ‚Eh, cool, der hat ne Leiter‘, und weg waren sie.  Und was will uns diese Geschichte jetzt sagen? Hm, tut hier eigentlich nichts zur Sache…

Eine erste Pseudo-Krise, oder: Wandern ist gefährlich…

Der Paranoiker weilte unlängst urlaubsbedingt auf der wunderbaren griechischen Insel Samos, und da er es prinzipiell nicht schafft, länger als ein bis zwei Stunden nichtstuenderweise am Strand herumzuhängen, verfiel er trotz der schwül-heißen Temperaturen immer wieder in hektisches Unternehmungstum – und wenn es keine alten Industrieanlagen oder Tempel gibt, die man vor die Linse des allgegenwärtigen Photoapparates zerren kann, dann gilt es eben: zu wandern! …was dem Paranoiker natürlich umso mehr Spaß macht, wenn es ihn durch wunderbare und abwechslungsreiche Landschaften führt.

Aber, merke: Wandern ist gefährlich!

Und mit der Gefahr sind nicht die Schlangen gemeint, die der Paranoiker beim Aufstieg zu seinem Lieblingsbergdorf Manolates an den sonnendurchfluteten Hängen eines Weinberges aufscheuchte (eine davon war mindestens einen Meter lang – angesichts des Tempos, mit dem sie entfleuchte, dürfte sie sich aber noch mehr erschrocken haben als der sie aufschreckende Paranoiker) – und auch nicht der Skorpion ist gemeint, der sich ihm kurz darauf, wenn auch nur sehr kurz, entgegenstellte; nein, auch das sprichwörtliche Fehlen eines Orientierungssinnes war (diesmal) keine Gefahrenquelle für den Paranoiker (in weiser Voraussicht hatte er nämlich ein GPS-Gerät dabei, welches er bis heute zwar immer noch nicht vernünftig bedienen kann, welches ihm aber immerhin deutlich anzeigte, wenn er sich einmal wieder verfranzt hatte – bemerkenswerterweise war der Akku nur ein einziges Mal, dann allerdings auf halber Strecke, leer, so daß der Paranoiker leider nicht nachvollziehen kann, wie oft er sich an diesem Tag verlaufen hat…) – gefährlich wurde es aus ganz anderem Grund.

Drei Kilometer von des Paranoikers Haus-Kiesel-Strand entfernt gab es einen hochgelobten Sandstrand, und da ein einschlägiger Wanderführer einen Küstenwanderweg suggerierte und die Entfernung ja nun wahrlich läppisch war, ließ der Paranoiker das Auto stehen, zog die Wanderschuhe an, setzte Hut und Sonnenbrille auf, schulterte den Rucksack, schnallte sich die Spiegelreflex vor den Bauch und marschierte gleich zu Beginn seines Urlaubes los. Er hätte wohl besser den Kommentaren auf den Seiten eines großen Internetkaufhauses Glauben geschenkt, denn wie dort so oft beschrieben verlor sich der anfangs noch existente Weg schnell in Trampelpfaden und bald -pfädchen, um dann in Dickicht und Gestrüpp zu enden. Da half auch kein Umkehren und Abzweigungen nehmen, irgendwann war Schluß. Aber ein Paranoiker läßt sich nicht schrecken und schlägt sich alsbald querbeet durch alte Olivenhaine, durch Geröllfelder und die Beine zerkratzende Sträucher… um dann den ersehnten Strand nach gut einer Stunde vor sich zu sehen – getrennt allerdings durch eine nicht querbare Steilwand. Also rauf in den Fels und rein ins Gestrüpp! Etwa zehn oder zwanzig Meter über dem Strand hängend erhascht der Paranoiker alsbald Blicke auf das ersehnte Ziel – und auf die in diesem Strandabschnitt zahlreichen FKKler. Sich nichts denkend klettert er weiter, verzweifelt auf der Suche nach einem Abstieg, als ihm plötzlich auffällt, das einige der Nackerten zu ihm hochsehen – und, da, eine Frau zeigt bereits mit dem Arm auf ihn!

Ups! Er kann es ihr, geistig die Perspektiven tauschend, wohl auch nicht verdenken. Was wohl in ihm vorginge, wenn im Gebüsch über ihm eine sonnenbebrillte und behutete Gestalt mit einer Spiegelreflex und einem beachtlichen Objektiv darauf durch die Steilwand schliche?

KRISE!

Eieiei, hektisch weiter, schnell hinter einem Bäumchen verstecken (als vertrauensbildende Maßnahme wohl eher ungeeignet) und die Kamera im Rucksack verschwinden lassen – und dann den Hut tiiiief ins Gesicht gezogen und weitergeschlittert! Glücklicherweise wurde die Vegetation bald wieder dichter, was zwar den Beinen des Paranoikers nicht gut tat, des nackten Volkes Zorn aber von ihm fern hielt, und nach ein paar hundert Metern fand sich dann sogar ein halbwegs bewältigbarer Abstieg hinunter zum Strand – schnell den Hut versteckt und ans andere Ende des glücklicherweise recht langen Strandes gehechtet!

Der Paranoiker benutzte für den Rückweg lieber die serpentinige Straße und wanderte ab sofort nur noch im Norden der Insel (Schlangen sind doch das kleinere Übel gegenüber ’nacktem‘ Zorn) – auch mied er fortan Postämter oder andere öffentliche Einrichtungen aus Angst, Plakate mit einer verschwommenen Aufnahme seiner selbst und der Warnung vor dem vermeintlichen Spanner vorzufinden…

Und warum jetzt Pseudo-Krise? Ganz einfach, der Norden war viiiel schöner zum Wandern, und FKK war noch nie das Ding des Paranoikers…

Eine dreiundzwanzigste Antikrise, oder: haste mal ’n Euro…

Der Paranoiker ist irritiert!

Zweimal hat er sich im Laufe der Woche urlaubsbedingt in die Stadt verirrt – kaum hat er sich knapp hundert Meter vom Auto wegbewegt, wird er auch schon von einer netten jungen Frau angequatscht: ‚Wer lächelt muß stehen bleiben! Ha, er hat gelächelt, bleiben Sie stehen!‘ Grumph! Zugegeben, eine nette Art, am Weitergehen gehindert zu werden und, zugegeben, ein netter Anblick dazu – aber! Warum immer der Paranoiker?

Man setzte ihn auf einem Platz aus, auf dem sich zweihundert Passanten und eine Person, die eine Unterschrift/einen Euro/ein-was-auch-immer will, aufhalten – besagte Person findet ihn, auch unter tausend, unter einer Milli-Billi-Trillion, immer, überall! Warum???

Zweimal! Kaum zwei Tage später – er wählte extra einen anderen Weg – läuft er besagter netten, jungen, gutaussehender Dame erneut über den Weg. Und was sagt sie? Genau: ‚Wer lächelt muß stehen bleiben! Ha, er hat gelächelt, bleiben Sie stehen!“Ich hab da gerade so ein Déjà vu‘ sagt der Paranoiker und erntet nur einen irritierten Blick. ‚Ach, hab ich Sie schon einmal angesprochen? Na, dann müssen Sie in Zukunft halt abweisend auf den Boden gucken!‘. Tja, das wird er dann wohl müssen, der Paranoiker! Nicht um seiner selbst wird er angehalten, sondern ob seines Blickes! Wie doof kann man eigentlich schauen, daß man immerzu angequatscht wird, wenn irgendjemand irgendetwas will?

Krise!!

Äh, und wieso jetzt Antikrise?

Nun, vielleicht sollte der Paranoiker in Zukunft zumindest bei den Ansprechenden des weiblichen Geschlechts einfach in die Offensive gehen!?

Und zum anderen: Bei seinem ersten Besuch in dieser Woche hatte er noch eine positive Begegnung. Da m-arsch-ierte nämlich einmal wieder wahl-kampf-bedingt die braune Soße durch seine Wahlheimatstadt und sammelte sich zu einer Kundgebung auf dem Domplatz – doch kaum begann das Nazigesocks mit seinen Durchsagen, läuteten die Glocken – und läuteten und läuteten! Nicht nur Don Camillo hätte seine Freude daran gehabt, daß die Feinde der Demokratie am Versprühen ihrer Propaganda behindert wurden, nein, auch der Paranoiker freute sich, zumal die Kirche hier einmal ein lautstarkes Signal setzte!

Danke!

… und an dem anderen Problem arbeitet der Paranoiker! Also: Grimmig auf den Boden starren, Boden, grimmig…

Eine dreiundzwanzigste Kurz-Zwischenkrise, oder: Wahlqual…

Der Paranoiker ist genervt!

Zwei Wahlen stehen in den nächten Wochen an – eigentlich ein Grund zur Freude, eine echte Motivation! Schließlich könnte es zu einem Politikwechsel kommen. Die Betonung liegt auf ‚könnte‘!

Da tritt der Wunschkanzlerkandidat des Paranoikers an.. und keiner merkt’s – oder merkt es, allerdings nur daran, daß jedes Fettnäpfchen breitgetreten wird (doch, merkel… nee: merke(!): Breitgetret’ner Quark macht dick, nicht stark…) und alles andere im Kleingedruckten verschwindet, während Merkel in den Umfragen von Hoch zu Hoch klettert, daß einem selbst schon schwindelig wird, und die CSU in Richtung absoluter Mehrheit taumelt, dieweil selbsternannte Alternativen die Straßen plakatieren und immer mehr Janker mit darüber schwebenden Grinsegesichtern das bayerische Straßengrabenbild prägen… Gerade erst gestern stieß der Paranoiker beim Einbiegen auf die Hauptstraße beinahe mit einem BMW  zusammen, weil genau im Einblickwinkel ein CSU-Plakat mit vier Dauerlächlern wirbt… wenn es wenigstens ein Kandidat wäre, der ‚Wort‘ hält (das verstehen jetzt leider nur die Bayern unter den Lesern, äh, der Bayer unter den Lesern… sorry, Renaldo: der bayerische Leser), aber nein… Für den Paranoiker steht fest: Die CSU gefährdet den Verkehr! Und zwar nicht nur mit Mautplänen und Betreuungsgeld!

Was bleibt dem Paranoiker da anderes übrig als Politiverdrossenheit?!  Und so drängt sich ihm ein Gedanke auf: Warum läßt man den ganzen Zirkus eigentlich nicht? Genau, sagen wir die Wahlen ab! Das Ergebnis steht doch eh schon fest… Gut, vielleicht kann man ja im Konsens ein bisserl korrigierend eingreifen, beispielsweise kann man ja die FDP aus dem Bundestag streichen – noch mehr Stillstand in der Regierung geht sowieso nicht, aber man wäre ein paar Gestalten los, dafür würde dann ‚Schnarri‘ im Bund frei und könnte nach München retournieren, damit Seehofer etwas ‚Beistand‘, vulgo Contra erhält, denn eine Alleinherrschaft… nee, das kann doch keiner wollen, oder? Obwohl… bei den Umfrageergebnissen ist das mit dem ‚vox populi, vox Rindvieh‘ mal wieder gaaaanz aktuell in des Paranoikers Wahrnehmung!

Also: Wahlen vergessen,  tüchtig Steuergelder sparen (was alleine an Stunden im öffentlichen Dienst eingespart wird, wenn die ganzen ‚freiwilligen‘ Wahlhelfer keinen Freizeitausgleich nehmen…), sich an den abstrusen Plakaten erfreuen… und zwei wahlfreie Sonntage genießen…

Hm, klingt zwar gut, aber… nee, ne, besser doch nicht! Dann sollen Bayern und Deutschland doch lieber die Regierungen bekommen, die sie verdienen! Und dem Paranoiker bleibt die Hoffnung, daß er seine Wahlunterlagen bald erhält und Briefwahl beantragen kann… sicherheitshalber verabschiedet er sich nämlich bald in den Urlaub, um das Resultat dann einigermaßen entspannt ertragen zu können…

An alle Anderen ergeht im Namen der Antikrise die Devise: Quälet und fürchtet euch nicht, sondern gehet wählen… und zwar richtig (es ist wichtig)!!!

Eine zweiundzwanzigste Kurz-Zwischenkrise, oder: Sie, Herr Duzent…

Der Paranoiker fühlt sich gerade alt… steinalt…

Er gesteht: er duzt gerne! Das mag daran liegen, daß er Biologe ist, und Biologen sind da etwas lockerer als andere Berufsgruppen (war es doch zu seiner Studentenzeit in anderen Fächern alles andere als unüblich, daß sich sogar die Studenten untereinander siezten… na, BWLer und Juristen halt…), zum anderen kann man sich dadurch natürlich auch immer etwas von den lieben Medizinern und ihrem Stammes-, äh…, Standesdünkel absetzen. Und weil es dem Paranoiker nun einmal schwer fällt jemanden zu siezen, mit dem er enger zusammenarbeitet, fragt er seine Studenten gerne, ob es denn ok sei, wenn man sich gegenseitig duze, was auch immer angenommen wird. Komisch ist es dann nur, wenn plötzlich einige der Studenten, die zugegebenermaßen inzwischen halb so alt sind wie der paranoische Duzomat, dann wieder auf das ‚Sie‘ umschwenken. Ein Student, darauf angesprochen, meinte dieser Tage lapidar, es falle ihm halt schwer, ältere Leute zu duzen, bei den Freunden seiner Oma habe er da beispielsweise auch immer Probleme…

Krise!

Man ist immer so alt wie man sich fühlt? Eher so alt, wie man eingeschätzt wird, oder?

Der Paranoiker meinte daraufhin, er hoffe doch, daß die Oma noch recht jung sei, was besagtem Studenten einen roten Kopf einbrachte, weil er wohl verzweifelt überlegte, wie er aus der Situation wieder gut herauskommen könnte, was ihm eine Kommilitonin dann aber elegant abnahm, indem sie anmerkte, vielleicht habe seine Oma ja auch sehr junge Freunde!

Jetzt bleibt die Frage: Ab sofort alle Studenten siezen oder langsam schon mal die Testberichte von Rollatoren studieren? Oder beides?

Eine einundzwanzigste Kurz-Zwischenkrise, oder: hochschuldidaktisches Trainingscamp…

Den Paranoiker erreichte heute eine Email, die ihn im ersten Moment laut auflachen ließ, lautete doch die Betreffzeile ‚Hörsaaltraining für Professoren und PDs‘.

Was hier schon wie eine Realsatire klingt, weckte im Paranoiker im ersten Moment Assoziationen à la ‚Toilettentraining nach Prostata-OP‘ oder auch Gedanken an Hundeschulen…

Im zweiten Moment kamen die Zweifel… was sind eigentlich die Aufgaben von Professoren? Gewiss, der Forschungsgedanke ist nicht ohne Berechtigung, aber da ist doch auch noch die Lehre… und die findet doch, ganz altmodisch, (auch) immer noch in Hörsälen statt, oder? Worauf zielt also die oben zitierte ‚Hochschul- und Wissenschaftsdidaktische Veranstaltung‘? Soll der Zielgruppe die Angst vor jenem unbekannten Raum genommen werden, soll gar demonstriert werden, wozu jener Raum jenseits aller Ängste genutzt werden kann? Ein prinzipiell löbliches Anliegen! Demnächst eröffnen sich neue Schulungsperspektiven durch Kurse wie ‚Klassensaaltraining für Lehrer‘ oder ‚Börsenparketttraining für Finanzjongleure‘, gerne auch genommen ‚Flöztraining für Bergarbeiter‘ oder ‚Phrasendreschtraining für Politiker‘, all jene Bereiche also, für die man anscheinend keinerlei Kompetenz haben muß, bevor man in jenen Beruf einsteigt, denn ansonsten wären ja derartige Trainingseinheiten gelinde gesagt überflüssig…

Warum eigentlich nicht gleich ‚Wahlkabinentraining für Demokraten‘ und ‚Kursbelegungstraining für Hochschulabsolventen‘, dann sind Irritaionen wie die des Paranoikers in ein paar Jahren und dank ‚Anti-Krisentrainings für Paranoiker‘ keiner Kurz-Zwischenkrise mehr würdig…

Na, erst mal kurzkrisig ‚Trinktraining für Fatalisten‘, dann schaun mer mal…

Eine zweiundzwanzigste Antikrise, oder: Viento norte…

Der Paranoiker ist noch immer selig!

Nach fast fünfmonatiger Tangoabstinenz stand ein Tangofestival an der Ostsee an, an dem teilzunehmen er sich vor langer Zeit – nach so vielen Wochen ohne Tango konnte er sich gar nicht mehr erinnern, warum überhaupt – entschlossen hatte.

Symptomatisch war dann der Verlauf des langen Wochenendes:

Früh klingelte der Wecker – warum tut sich der Paranoiker das an?

Acht Stunden Autobahn – warum tut sich der Paranoiker das an?

Eisiger Wind fegt (nicht von Norden, wie der Festivalstitel nahelegt, nein, aus dem Osten kommt er), die See aufgewühlt und grün (na klar, bei dem Seegang wird es wahrscheinlich sogar den Fischen schlecht, was den Farbton erklären dürfte…) – warum tut sich der Paranoiker das an?

Am nächsten Morgen treibt der Schneeregen waagerecht vor dem Fenster, beim Frühstück pfeift der Wind und rüttelt an den Fenstern; frierend kämpft sich der Paranoiker durch den Ort, Sand in den Haaren, Salz auf der Brille, nur kurz durch leckeren Kaffee und einen Besuch in der Bonbonkocherei Hinrichs mit seinem Schicksal versöhnt – warum tut sich der Paranoiker das an?

Mittags dann die erste Milonga – und die Antikrise nimmt ihren Lauf: der Paranoiker ist angekommen und hat die Antwort auf die obige Frage und denkt sich nur: Wow!

Drei Tage am Stück, einfach nur ‚wow‘!

Und das Beste: dieses Gefühl hält bis heute, den Tag, an dem er diese Zeilen schreibt, an! Und dies trotz ewig langer Heimfahrt, auf der dann auch noch der Auspufftopf die Autobahn kurz nach Hannover küsste, trotz mehrerer inzwischen absolvierter Arbeitstage, trotz der anhaltend unwirtlichen Kälte… der Paranoiker schwebt und hat den Tango im Ohr…

…und fragt sich natürlich: wieso ist das so? Lag es an der Sogwirkung der Musik, die über eine unerwartet gute Anlage so wunderbar von tollen TJ’s aufgelegt wurde? Daran, daß viento norte so perfekt und wunderbar organisiert war (danke übrigens, Sylvia und Jürgen!)? Daran, daß so unglaublich entspannte und sympathische Menschen daran teilgenommen haben? Daran, daß ein wunderbarer Tanzfluß da war und dem Paranoiker nichts, aber auch nichts einfallen will, worüber er sich auch nur ansatzweise ärgern konnte (was ansonsten ja eigentlich schon Grund genug dafür wäre, sich zu ärgern…)?  Daran, daß er gleich auf der ersten Milonga die schönste Tanda seines bisherigen Tangodaseins tanzen durfte (auch wenn er sich wahrscheinlich nie mehr trauen wird, mit dieser Tanguera zu tanzen, da es einfach zu schön war, als daß dies wiederholbar sein dürfte – immerhin hat er jetzt die Antwort darauf, was eigentlich in den Tänzerinnen und Tänzern vorgeht, die oft nach einem Tanz mit einem seligen Lächeln, daß oft nur operativ wieder entfernbar scheint, dasitzen… der Paranoiker hätte wohl auch im Kreis gegrinst, hätte er keine Ohren, die dies verhinderten…)?

Eigentlich egal, oder? Was bleibt, ist ein Schweben, aber auch ein Bedauern, denn leider sind solche Veranstaltungen rar gesät, zumal in erreichbarer Distanz… Aber das vergrößert nur die Vorfreude und steigert deren Wert!

Seufz…

Krise? Antikrise? Papstdämmerung!

Meldung des Tages: Der Papst tritt zurück!

Der Paranoiker rätselt: Kann der das überhaupt? Dieses Amt ist doch kein Job, den man irgendwann kündigt – oder etwa doch? ‚Papst außer Dienst‘, eine nette Visitenkarte gibt das allemal.

Der Paranoiker rätselt weiter: Darf der das überhaupt? Wenn wir alle Papst sind, muß er dann nicht auch alle um Erlaubnis fragen?

Und wie ist das zum Beispiel mit seinem Haus in Regensburg, das gerade zu einem ‚Papstmuseum‘ wird – ist der Vatikan jetzt regresspflichtig? Muß die Papstwiese jetzt in Papst-a.D.-Wiese umbenannt werden?

Und was mögen wohl die Gründe sein? Wurden etwa Vatikan-intern Plagiatsjäger auf seine Doktorarbeit angesetzt, welche ihm in der Folge womöglich aberkannt zu werden droht, was einen präventiven Rücktritt nötig macht? Die Gerüchteküche darf brodeln!

Und was kommt als nächstes? Womöglich ein Papst, der seinen Job kündigt, weil er ein besseres Angebot von der Konkurrenz bekommen hat? ‚Och, ich hab mal gedacht, so Buddhismus und so, da wird doch mehr geboten…‘?

Krise? Antikrise?

Na, so schlimm wird es schon nicht kommen, hat doch die katholische Kirche immer wieder gerne bewiesen, welch Fels in der Brandung sie ist, an dem Neuerungen zerschellen und Kritiker zermalmt werden – man muß sich also nicht wirklich Sorgen um das Amt machen.

Eins ist jedenfalls für den Moment sicher: Non habemus papam… Aber bald steigt ja wieder weißer Rauch auf…

 

Eine zwanzigste Kurz-Zwischenkrise, oder: Honigtöpfe, Lotto und die Folgen…

Der Paranoiker schätzt sich als lernfähig ein…

…und er lernt… lernt kennen… schätzen… abwägen… und staunt…

Der Paranoiker unterhielt sich mit einem universitär tätigen Medizinerkollegen, den er in den vergangenen Monaten sehr schätzen gelernt hatte, und fragte dabei, ob dieser, angesichts einer sehr verantwortlichen und zeitraubenden ‚Neben‘-Tätigkeit, überhaupt noch Zeit für seine eigentliche Arbeit fände, woraufhin jener Kollege meinte, dies sei kein Thema, so Tag-füllend sei jene Tätigkeit nun auch nicht, die Zeiten seien vorbei, ebenso wie die, dass man durch solche Tätigkeiten vom Golfen abgehalten worden wäre.

„Na, wohl zum Glück“, meinte der sozialdemokratisch fühlende und denkende Paranoiker, dem die Vorstellung einer golfenden Upperclass nicht gerade gefällt. Nun, dies könne er wohl so sehen, war die Antwort. Der Punkt sei ja nur der, dass gerade die Aussicht auf das Golfen, vulgo die Möglichkeit, die Arbeit an Andere zu delegieren, während man selbst sich anderweitig vergnügte [dies des Paranoikers Lesart], ein Ansporn und Anreiz für die jungen Kollegen gewesen sei, quasi eine Art Honigtopf, der als Belohnung winkte [dies stellt, das betont der Paranoiker hier, kein wörtliches Zitat, sondern seine sinngemäße Wiedergabe dar]. Und da dieser Honigtopf nun fehle, fiele ja auch der Anreiz für jene Positionen weg, was ja wohl den Reiz der medizinischen Laufbahn an der Universität insgesamt schmälere. Das sei ja quasi so, als würde man den Lottogewinn abschaffen und sich dann wundern, dass keiner mehr Lose kaufe…

Krise!!! Ist das das Selbstverständnis des elitären Mediziners, das Spiegelbild des Standes?

Die Krise war eine Zwischenkrise, und als solche kurz, denn dieser Standpunkt, oder sagen wir besser: Diese Erwartungshaltung, gehört wohl glücklicherweise (der Paranoiker kennt genügend Gegenmeinungen) dem Gestern an… lehrreich war sie allemal…

Der Paranoiker selbst war überdies schon immer dagegen gefeit… Honigtöpfe wurden seiner Profession nie versprochen… solche Versprechen hätten, zu Recht, nur Hohn und Gelächter eingebracht… da tut man sich natürlich leichter… 😉

 

Eine neunzehnte Kurz-Zwischenkrise, oder: Anredefragen…

Der Paranoiker hat ein Problem: Immer häufiger muß er Sammel-Emails verschicken, und da stellt sich unweigerlich die Frage der korrekten Anrede der Angeschriebenen. Einzel-Emails sind ja kein Problem; da kann er das formelle ‚Sehr geehrte(r)…’ genau so wählen wie das formlose ‚Hallo…’ oder auch das persönlichere ‚Liebe(r)…’… aber bei mehreren Adressaten? Zumal, wenn der Vetrautheitsgrad unterschiedlich ist…
Neulich schickte er eine Nachricht nicht nur an einige Studenten, sondern auch an Kollegen und wählte die unverfänglichste Form, also das ‚Sehr geehrte Damen… usw.’, was ihm dann prompt den Kommentar einbrachte, warum er denn so förmlich sei! Auf die Gegenfrage, was sie denn vorschlage, meinte die Kollegin, na, neuerdings schreibe sie immer ‚Liebe Studierende…’, denn sowohl ‚Liebe Studentinnen und Studenten…’ als auch das lange Zeit als politisch korrekt gepriesene ‚Liebe StudentInnen…’ sei wohl out.

Der Paranoiker grübelt, müßte er doch heute eigentlich eine Email an seine Kolleginnen und Kollegen, vulgo KollegInnen verschicken… soll er die jetzt mit ‚Liebe Kollegierende…’ beginnen?
Krise!

Am einfachsten wäre es wohl, den Gepflogenheiten der überwiegenden Zahl an Studentinnen und Studenten, vulgo StudentInnen bzw. Studierenden zu folgen, und Nachrichten einfach mit einem allumfassenden ‚Hallo!’ zu beginnen…

Die Email muß da wohl noch a bisserl warten…

Eine achtzehnte Kurz-Zwischenkrise, oder: Leitungsbohrerfragen…

Der Paranoiker hat es – nach immerhin mehr als vier Jahrzehnten Daseinsberechtigung – zum ersten Mal geschafft, beim Versuch der Dübelversenkung im Mauerwerk eine Stromleitung anzubohren – Glückwunsch!! (Zu des Paranoikers Verteidigung sei gesagt: wer auch immer auf die Idee gekommen sein mag, ein Kabel knapp 50 (!) cm über dem Boden zu verlegen, dem geschieht es recht, daß dieses sein Kabel bohrermäßig angeknabbert wurde, jawoll!)

Um zukünftig, quasi präventiv, gegen derartige ‚Bau’unfälle gewappnet zu sein, deckte sich der Paranoiker im örtlichen Fachhandel mit Notfallutensilien wie Meißel, Unterputzdosen und Listerklemmen ein…

…und stutzte… er wollte nämlich nicht zur bewährten Spachtelmasse greifen, sondern zu etwas größeren Gebinden an Gips… und fand nur: Montagegips!

Schön und gut: den kaufte er… aber: was ist denn an einem Dienstag? Oder Mittwoch? Was, wenn er an einem Donnerstag versehentlich ein Kabel anbohrt? Muß er dann bis Montag warten, bis er das Loch, das es unweigerlich zu schlagen gilt, stopfen kann?

Krise!!!!

Okay… blödes Wortspiel…

…also: duckundwech…

…aber mal ehrlich: auch früher schon erschlossen sich dem Paranoiker Begriffe wie bspw. ‚Montageservice‘ nicht wirklich… Leute, drückt euch halt mal klar aus!

Eine einundzwanzigste Antikrise, oder: Rauchzeichen

Der Paranoiker weilte an Weihnachten, der Tradition sei Dank, in seiner Heimatstadt und fröhnte dort einer weiteren Tradition, nämlich der, den ersten Weihnachtsfeiertagsabend mit seinem ältesten und besten Freund über einem Pils (oder zwei oder drei…) (man darf es ja in Bayern nicht laut sagen, aber: endlich wieder saarländisches Pils! Hier versteht man es nämlich, so etwas zu brauen!!) in der Kneipe zu verbringen. Nachdem die alte Stammkneipe im letzten Jahr bereits um halb zehn schloß (oh Schande!), war sie dieses Jahr erst gar nicht geöffnet, aber eine kleine Mittelstadt hält glücklicherweise noch mehr Lokalitäten vor, wobei die erwählte dann auch recht dünn besucht war, was zu der Sorge Anlaß gab, ein paar Bier auf Vorrat bestellen zu müssen – eine Angst, die sich aber schnell verflüchtigte, als just um halb zehn ein Schwung Leute hereinkam, die offensichtlich gut mit dem Wirt bekannt waren. Dieser kam dann auch gleich an des Paranoikers Tisch und fragte: ‚ Däät sie’s steere, wenn mir raache?‚ Bitte was, war da nicht was mit Rauchverbot und so? ‚Ei, wenn sie Zigaredde unn e Aschebecher hann, näh!‚ drang in die Gedanken des Paranoikers des Freundes Antwort. Ja ja, das Saarland, der kleine, unbeugsame Fleck im Südwesten der Republik…!

Der Paranoiker genoß den Tabak dann sehr; man schwelgte in alten Zeiten, freute sich der Traditionen und wankte gemütlich heim – und am nächsten Morgen ‚freute‘ sich der Paranoiker dann über etwas, das er nach gefühlten hundert Jahren des absoluten Rauchverbotes in seiner Wahlheimat gar nicht mehr erinnerte: den Gestank nämlich, den Haare und Klamotten verbreiten, wenn sie am Vorabend vollgequalmt worden waren.

Also: Antikrise oder Krise? Eindeutig Antikrise!

So, und jetzt ist 2012 so gut wie rum, daher: Blick nach vorn auf 2013, und immer nach den Rauchzeichen Ausschau halten! 😉

Eine siebzehnte Kurz-Zwischenkrise, oder: brisante politische Themen…

Der Paranoiker ist irritiert, erreichte ihn doch dieser Tage eine elektronische Nachricht, die seither in seinem Kopfe herumirrt. Sie stammte von einem Kreisverband jener Partei, deren Parteibuch er stolz inne hat, und kündigte ein Seminar an – so weit, so gut. Was die Irritation auslöste, ist das Thema: ‚Mehr Frauen-Straßennamen!‘.

Krise! Oder vielleicht doch Antikrise? Sollten wir wirklich keine dringenderen Probleme haben, über die wir uns in Seminaren und Voträgen informieren und streiten sollten, dann doch wohl letzteres…

P.S.: Der Paranoiker meint, etwas lästern zu dürfen, schließlich verbrachte er den gößten Teil seines bisherigen Lebens in einer Straße, die – na, kann es sich schon jemand denken? – genau, einen Frauennamen trug und trägt! Ob seine Heimat Namens-bezüglich da prinzipiell schon ausgewogener ist als seine Wahlheimat, entzieht sich allerdings seiner Kenntnis…

P.P.S.: Bei der Kanzlerfrage im nächsten Jahr ist der Paranoiker übrigens ganz Chauvi alter Schule und hofft auf einen Männernamen…  😉

Antikrisenimpressionennachtrag, oder Sanssouci…

Der Paranoiker macht am gefühlt heißesten Tag des Jahres auf der Heimfahrt von Berlin einen kleinen Abstecher nach Potsdam – nachdem sich das Navi mehrfach verschluckt hat, ist er mitten in der Stadt und bekommt dadurch eine kleine Rundfahrt gratis, obwohl er doch eigentlich schnurstracks zum Park wollte… sei’s drum: Brandenburger Tor, holländisches Viertel etc. lassen sich, bedingt durch zäh fließenden Verkehr, wunderbar gebührend bestaunen.

Doch dann, endlich: Sanssouci! Und Sanssouci ist teuer! Parken kostet ein kleines Vermögen (selbst schuld… wozu gibt’s öffentliche Verkehrsmittel!), die Besichtigung des Schlosses kostet dann noch mal 12 Euro – dafür wird man aber immerhin innerhalb einer halben Stunde per Audioguide durch die Räumlichkeiten gescheucht. Der Park hingegen kostet: nichts! Am Eingang wird der Paranoiker von einer nicht nur gutaussehenden, sondern auch überaus charmanten Dame begrüßt, die um einen freiwilligen Obulus bittet, den der Paranoiker ob dieser Umstände natürlich gerne gewährt. Im Schloß gilt es Seidentapeten und Gemälde zu bestaunen sowie Gästezimmer und Schlafnischen zu betrachten – viel spannender ist es allerdings, die Mitbesichtiger zu beobachten – etliche haben anscheinend ihre drei Euro Photographiererlaubnis bezahlt und knipsen wild vor sich hin, während sie den akustischen Ausführungen in allerlei Sprachen lauschen… der Paranoiker zumindest strömt dem Ausgang etwas enttäuscht entgegen. Dort wartet ein netter Aufseher, der die Abgabe der Audioguides überwacht, den der Paranoiker, ganz auf die praktischen Probleme des Lebens fixiert, denn auch gleich fragt, wo denn hier im Schloß eigentlich die Toiletten seien. ‚ Na, raus aus’m Schloß und links über die Straße’ lautet die Antwort. Nein, nicht für die Touris, sondern die für die ehemaligen Bewohner jenes Monumentes. ‚Kam det nich vor im Audijogeid? Na, die hatten keene Toiletten, nur Puderzimmer (das erzählt jener Herr hoffentlich nie einem Österreicher… gnnn…)… Det ham die dann allet im Park entsorcht…‚ Na, Mahlzeit! Jener Feingeist Friedrich der Große – Französisch palieren, ne tolle Bibliothek haben (die ist echt sehenswert!), alle Geistesgrößen seiner Zeit zu sich laden, Querflöte spielen, aber sich nicht waschen…? ‚Det war halt so, Toiletten und n Bad wurden erst knapp 100 Jahre später einjebaut. Die ham wohl fünf Meter jegen’n Wind jestunken, damals. Detwejen sacht man ja och ‚Adel stinkt’ oder ‚Jeld stinkt’.’Da hört dann die Authentizität dann allerdings auf, denn der ‚Friedrich’ in vollem Kostüm, der am Parkeingang die Querflöte malträtiert, verströmt glücklicherweise keinen auffälligen Geruch. Dafür ist da wieder jene charmante Dame, die dem orientierungslosen Paranoiker einen Parkplan vermacht und ihn auch noch mit Wegvorschläge versorgt. Eine nette Nebenannekdote liefert noch der Blick bergan, denn dort thront am höchsten Punkt eine Ruine, die schon als solche vom Bauherren geplant worden war (anscheinend der letzte Schrei zu jener Zeit) – diese Ruine liefert zwei nette Stichworte: zum einen war und ist dort das Wasserreservoir, aus dem die Springbrunnen auf der anderen Schloßseite betrieben wurden und werden (kein Wasser zum Waschen, aber Springbrunnen sprudeln lassen…tss), zum anderen wird die Ruine gerade renoviert (dies übrigens eine ganz und gar trockene Bemerkung eines Mitbesichtigers, der sich der Ironie offensichtlich nicht bewußt war…).

Der Park lohnt sich – auch hier vermißt der Paranoiker allerdings schmerzlich ein Fahrrad, mit dem sich andere Besucher in der brütenden Mittagshitze leichträdrig bewegen…  Wuchtige Baukunst vereint sich mit Weitläufigkeit – eine immer noch genutzte beeindruckende Windmühle (würde natürlich wieder Eintritt kosten) leitet über zu einer gigantischen Orangerie (kostete natürlich wieder extra Eintritt) – hier vergnügte sich also die damalige high society, während das Volk darbte und in den Krieg ziehen durfte… sans souci… ‚ohne Sorgen’… die Springbrunnen sprudeln, die Feigen gedeihen, die Sonne scheint herab auf die Goldpracht eines chinesischen Teehauses… nun, vielleicht geht der Sozi mit dem Paranoiker durch, aber so richtig erfreuen mag er sich nicht mehr an all der Pracht, und auf eine Ausstellung über den ‚Fritz’ im Neuen Palais hat er auch keine Lust mehr…

Im Park sitzt eine junge Mutter mit einem in Windeln gewandeten Kinde, welches, des Paranoikers angesichtig, den Zeigefinger gegen jenen ausrichtet und laut ‚Papa’ kräht – der Paranoiker stutz, der Schweiß bricht ihm aus (liegt es an der Hitze?) – ‚Äh, kann ich mich da an was nicht erinnern?’ ‚Nee’, grinst die Mutter, ‚ sein Vater is’ nur ooch so dunkel!’ Puh, Glück gehabt…

Apropos ‚dunkel’: dunkel und dankbar erinnert sich der Paranoiker der Ortsangabe der Toiletten und gönnt sich anschließend noch ein Eis, bevor er sich, vorbei an der inzwischen beeindruckend langen Schlange vor dem Kartenverkauf (det ham’se ja alle schon üben können, wenn se vorher in Berlin war’n…), auf den Weg macht, der ihn, ob seines Navis mit offensichtlichem Schluckauf, wieder quer durch Potsdams Nebenstraßen führt – oder lag es doch an der Hitze und dem dräuenden Gewitter? Egal…

Sanssouci 1Sanssouci 2

Orangerie 1Orangerie 2

Orangerie 3Orangerie 4

Antikrisenimpressionen, oder: Berlin, die dritte…

Der Paranoiker sitzt in der Oranienburgerstraße in (bzw. vor) seinem ‚Stamminder’ (kann er inzwischen wirklich behaupten, war er doch bei drei aufeinander folgenden Berlin-Besuchen hier) und wartet auf sein Essen, am Tisch nebenan ein schwules und ein Hetero-Pärchen, alle vier ziemlich rausgeputzt… ‚Hab ich euch det schon erzählt? Neulich anne Ampel, da is hinter mir so’n Drängler, weeste, da is die Ampel g’rade mal auf gelb, da hupt der schon, und denne bei grün schon wieder – da hab ick mir jedacht, na warte, dich krieg ick: Ick raus, macht der det Fentster runter, sag ick: Hupe jeht noch, jetzt mach ma’ Blinker!’. Die Reaktion der Frau ist eindeutig: ‚Hä, versteh ick nüscht!’ ‚Na, ‚Hupe jeht noch, jetzt mach ma’ Blinker’, verstehste? Jetzt mach ma’ Blinker, weil Hupe jeht noch…’ So geht das dann die nächsten Minuten weiter, und der Paranoiker ist zwar um einen neuen guten Spruch froh, aber ansonsten bald jenervt.

Gibt es eigentlich irgendetwas, was es in Berlin nicht gibt, im Guten wie im Schlechten? Hier ein Beispiel für ‚ìm Guten’: Direkt neben dem Hotel entdeckt der Paranoiker im Halbparterre einen Kleinen Laden, der seine Aufmerksamkeit fesselt.

Senfsalon
Senf in allen Variationen und Spielarten – kann so ein Laden denn gehen? Die Besitzerin schmunzelt ob dieser Frage; den Laden gäbe es nun schon seit ein paar Jahren, und verkaufen würden sie weltweit über das Internet, sie seien da schon so ein wenig berühmt. Toll!

Berlin von oben! Den Paranoiker zieht es immer wieder hinauf auf Türme und Kuppeln, was vielleicht daran liegt, daß er Berlin bei seinem ersten Besuch nur von unten und noch mit jenem Bauwerk erlebt, das zu errichten niemand die Absicht hatte – die einzige ‚hohe’ Aussicht, die er damals, knapp ein halbes Jahr, bevor dieses Bau-Schandwerk im wahrsten Sinne des Wortes überwunden wurde, hatte, war von einer der Plattformen, von denen aus man über den Todesstreifen hinweg zu den Grenzern schauen konnte, die einen mit Ferngläsern beobachteten, wohl immer in der Angst, man könnte vom Westen genug haben und in ihr antifaschistisches, antikapitalistisches und sozialistisches Idyll einbrechen und dieses unterminieren. Welche Wohltat, am Brandenburger Tor zu schlendern und die ‚Remineszens’ an die Mauer erst wieder suchen zu müssen, jenen Steinstreifen, der so unscheinbar in der Straße verläuft.

'Mauerreste'

Und umso befreiter der Blick, z.B auch vom Dom, da zum Teufelsberg, wo die Abhöreinrichtungen der Amis herübergrüßen, da zum Alexanderplatz, wo der Fernsehturm im Sonnenlicht sein Licht-Kreuz auf der Kugel trägt, rüber wieder zum Funkturm, dann zum Potsdammer Platz, jenem Brachland, das der Paranoiker vor ein paar Jahren nicht mehr wiedererkennen konnte (und wollte) – Berlin, du tolle Stadt, ja: du Schöne!

Auch dieser Besuch geht zu Ende… der Paranoiker geht zur Anmeldung, will seine Hotelrechnung begleichen. ‚Na, se ham ja noch ne schöne Ecke vor sich – aus welcher Ecke von Regensburg komm’se denn?‘ Äh, wieso? ‚Na, in unserm Alter, da fährt man ja nich mehr so jerne so lange Strecken, und wenn wir nach Italien runter machen, dann halten wa immer uf halber Strecke in Regensburg‘. Also fahren die Regensburger nach Berlin und die Berliner auf Regensburg? ‚Na, so sollet doch sein, oder?‘ Ja, so soll es sein!

Brandenburger Tor am Abend

 

4. Teil der Trilogie

Antikrisenimpressionen, oder: Berlin, die zwohte…

Berlin ist eine Baustelle! Überall wird gewerkelt, ragen Kräne in den Himmel, stehen Gerüste und Baucontainer, rattern Bohrer und Preßlufthämmer. Die halbe Museumsinsel ist umstellt mit tösendem Gerät, welches das Spreewasser abpumpt und umleitet – diese ganzen riesigen Gebäude, alle auf Pfählen ruhend in sumpfigem Grund – da wird einem richtig mulmig!

Museumsinselbaustellenimpression

Dummerweise wird auch in der Friedrichsstraße gebuddelt – und natürlich genau dort ein neues U-Bahn-Kreuz gebaut, wo der Paranoiker mehrmals am Tag passieren muß. Demzufolge kann er eine Station U-Bahn fahren, dann auf den Pendelzug warten, der ihn wieder drei Stationen weiterbringt, dann 500 Meter zu Fuß gehen, um dann wieder unter die Erde zu klettern, oder sich ‚jetzt ist doch eh schon wurscht’ zu denken und sich die Füße weiter platt zu laufen. Der kleine Zwangsausflug in die Einkaufsmeile Friedrichsstraße führt aber wenigstens eine skurrile Absurdität vor Augen: Bis auf das übliche Klientel (H&M und Konsorten) konnten sich nämlich kaum Warenhäuser, ganz zu schweigen von kleinen Läden, in den riesigen Gebäuden halten, weshalb in den Schaufenstern jetzt Autos (sic!) stehen – tja, sämtliche Automarken scheinen eingezogen zu sein, und in den Verkaufsräumen ist auch ganz schön was los! Vielleicht ist das aber auch die Gegenreaktion auf den Stillstand des Autoverkehrs rund um die Baustelle. Und dann gibt es da noch den großen Platz, an dem einst der Palazzo prozzo stand, bevor er Asbestverseuchungs-bedingt abgerissen wurde, und wo jetzt ein neuer Palazzo prozzo entstehen soll: das humboldtforumsche Stadtschloßimitat. Der Paranoiker kann nur hoffen, daß es ähnlich läuft wie beim Holocaust-Mahnmal, wo auch jahrelang diskutiert und umdisponiert wurde, um am Ende etwas zu bauen, was ihn zutiefst berührt und beeindruckt – vielleicht wird es bei diesem Projekt ja ein vergleichbar gutes Ende haben… wobei an einem Eck der Wiese ein Auschnitt der Fassade in Originalgröße aufgebaut nichts Gutes ahnen lässt…

Stadtschloßimitatteilansichtsimpression

Berlin ist groß! Da muß man erst mal von einem Ort zum nächsten kommen. Der Paranoiker vermißt ein Fahrrad, mit dem er sich einigermaßen vernünftig fortbewegen könnte, denn alles andere… Auto fällt flach, denn Berlin scheint nicht nur die ‚rote Welle‘ erfunden zu haben, auch gibt es mindestens zehn mal mehr Fahrzeuge als Parkraum, und Berlin ist (s.o.) eine Baustelle. Also lieber die Nuckelpinne in der glücklich eroberten Parkbucht stehen lassen. U-Bahn und S-Bahn sind schon schön, aber oft sind die Verbindungswege ganz schön lang. Also per pedes. Gleich nach der Ankunft macht sich der Paranoiker brav auf ans Brandenburger Tor, und blickt zur Siegessäule: komisch, da war er noch nie. Auf dem Weg dorthin wird ihm auch klar warum: der Weg zieht sich! Und dann wollen noch die 285 Stufen bezwungen sein, doch das lohnt sich (siehe Teil 1)! Aber irgendwie muß man ja auch wieder zurück, und Busse scheinen nicht zu fahren. Und so geht das weiter bis die Füße kochen. Nun, mit Sicherheit kann man mit etwas mehr Orientierungsbewußtsein und dem Willen und der Befähigung zum Studium des Planes des öffentlichen Nahverkehrs den ein oder anderen Weg einsparen, aber der Paranoiker latscht halt auf gut Glück los. Besonders wird ihm die Unsinnigkeit enes derartigen Verhaltens klar, als er endlich(!) bei brütender Hitze im Botanischen Garten ankommt; erst die falsche S-Bahn erwischt und sich nichts gedacht bei den fremd klingenden Stationsnamen, dann nur mit Mühe doch noch die richtige S-Bahn erwischt, um dann noch eine Viertelstunde Fußmarsch durch eine allerdings sehr beschauliche Wohngegend zu absolvieren… und dann meint die schon etwas ältere Dame, die schön im kühlen Schatten ihres Kassenhäuschens sitzt, auf den ‚na, zu euch isses ja ne halbe Weltreise’ Kommentar des Paranoikers nur lapidar: ‚ja, hammse sich denn nich vorher im Internet informiert??’. Tja… Das wär vielleicht eine Option für die Zukunft. Aber noch beschränkt sich der Paranoiker darauf, seinen Reiseführer zu Rate zu ziehen und im Papier zu googeln… und, siehe da: da steht sogar, welcher Bus ihm wenigstens auf der Rückfahrt ein paar Meter zu Fuß spart. Glück jehabt, wah!

Apropos Internet: Berlin ist modern! Zumindest manchmal… Das zeigt sich schon, wenn der Paranoiker zum Frühstück erscheint: Da sitzt dann ein gutes Dutzend Amis, und jeder von denen hat einen Laptop vor sich stehen und ein Smartphone neben sich liegen und ist am klicken, wischen und sonst was machen! Wow! Bei der koreanischen Familie hat nur der kleine Junge sein iPad in der Hand, doch die beiden Spanierinnen am Nebentisch wälzen wie der Paranoiker den analogen Stadtplan, während das ältere deutsche Ehepaar ganz abgeklärt mit der Berliner Zeitung Vorlieb nimmt. Da fragt man sich doch unwillkürlich, was die Amis da die ganze Zeit treiben! Wahrscheinlich chatten sie miteinander; obwohl, sie reden auch! Ah, da zeigt z.B. ein Ami einem anderen Ami Bilder einer Stadt in der Wüste, was diesen offensichtlich schweeeeer interessiert… Nee, dann doch lieber analog weiterwurschteln und sich auf das tolle Berlin konzentrieren… Dabei verpasst man allerdings leider doch auch wieder mabches, z.B. den schon lange ausstehenden Besuch des Reichstages… ‚Nee, hier komm’n’se nur noch mit Anmeldung rein!‚. Anmeldung? Wo denn? ‚Na, im Internet, drei Tage vorher! Is doch schon seit letztem Jahr so!!!‘ Na denn, vielen Dank! Ist der Reiseführer mit seinen zwei Jahren wohl schon in die sellbigen gekommen. Aber zurück zu modern: Schwer beeindruckt ist der Paranoiker im Pergamonmuseum – von dem Museum an sich sowieso (dicke Besuchsempfehlung!), aber besonders angetan haben es ihm die Bildschirme, die am Ende der Sonderausstellung aufgebaut sind und interaktiv ermöglichen, eine Panoramaaufnahme der Ruinen des ehemaligen Pergamons mit einer Rekonstruktion der antiken Stadt zu überlagern. So macht Museum richtig Spaß!

Pergamonaltarimpression

 

 

 

 

 

Und als er, kurz vor Toreschluß, in die Dauerausstellung im Deutschen Dom am Gendarmenmarkt stolpert, drückt ihm ein netter Angestellter eine CD in die Hand: ‚da könnse sich schon ma‘ ’n Überblick verschaffen, wenn se ‚t nächste Mal kommen‚. Super! Und doch: Auch analog kann Spaß machen und zum Nachforschen anregen! Kaum daheim, liest der Paranoiker (durch puren Zufall!) ein Buch, in dem Echnaton, Nofretete und der Aton-Kult im Mittelpunkt stehen, und das ein paar Tage nach des Paranoikers Besuch der ägyptischen Sammlung! Spannend! Und auch hier gilt: unbedingte Besuchsempfehlung, alleine schon der Nofretete wegen!

Echnaton

Hand-in-Hand

Berlin ist grün! Das merkt man spätestens dann, wenn man eine der zahlreichen Möglichkeiten ergreift, die Stadt von oben zu betrachten, z.B. von der Siegessäule aus oder von der Kuppel des Doms. Anders, als es die Häuserschlucht um die Friedrichstraße oder die Betonwüste um den Alexanderplatz vermuten lassen, erstrecken sich allerorts Parks und Bäume (im Tiergarten gibt es Alleen, die nach den Bäumen benannt sind, die dort ihr Blätterdach über dem Paranoiker ausbreiten – praktisch, da muß sich der Paranoiker nicht beim Bestimmen blamieren, sondern kann selbstbewußt nicken angesichts der Namen und des dazugehörigen Grüns…), und selbst dort, wo die Bebauung dicht ist, steht spätestens im dritten Hinterhof eine alte Linde, so auch bei des Paranoikers Hotel. Und sitzt man abends gemütlich auf sein Abendessen wartend auf dem Trottoir, so fällt, zumindest in Kreuzberg, der Blick auf die zur viel befahrenen Straße hin gelegenen Rabatte, die, teilweise ummauert, teilweise von Miniaturjägerzäunen umkränzt, schier überquellen vor Stauden und Sonnenblumen. Gut, nicht überall ist dies der Fall, aber es ist doch mehr die Regel als die Ausnahme. Und dann sind da noch die Zufallsentdeckungen, die man so beim Schlendern (Euphemismus für ‚sich-gründlich-verfranzen-und-irgendwann-kaum-noch-wissen-wo-man-eigentlich-ist’!) machen kann; so geschah es dem Paranoiker, daß er unvermittelt vor einem ehemaligen Stück Brachland stand und auf einem Schild, das an einem windschiefen Tor hing, ‚Prinzessinnengarten’ las – ein schönes Beispiel ‚urban gardenings’ mitten in Kreuzberg. Da stapeln sich Holz- und Plastikkisten zu Hochbetten auf, Tomaten wuchern in Plastikeimern und –tüten, überall wird fleißig gepflanzt und eingetopft, während unter einem Sonnensegel vor einem kleinen Café Kinder toben. Ein Landbewohner muß natürlich leicht grinsen ob der gärtnerischen Bemühungen, aber so mitten in Berlin wirkt das Ganze wie eine kleine Oase der Gemütlichkeit und Unangepaßtheit – ein Antikrisenort!

Stadtgartenimpressionen 1

Und dann die vielen Brachflächen, mitten in der Stadt, z.B. entlang der S-Bahn, …

Das professionellste Grün ist dann in Dahlem: der botanische Garten! Tolle Gewächshäuser, phantastische Außenanlage – wer behält da den Überblick, wer pflegt und hegt das alles? Den Paranoiker, dem der grüne Daumen selten hold ist, beschleicht Ehrfurcht.

Gewächshaus

Gewächshaus 2

Gewächshaus 3

 

Teil 3

Antikrisenimpressionen, oder: Berlin…

Berlin stinkt! Nach Hundekacke, nach Abgasen, nach Müll… So viel zu ‚Berliner Luft mit ihrem holden Duft’…

Berlin ist dreckig! Penibel zugekotete Bürgersteige, Mülltüten auf den Strassen, Schrottfahrräder an den schiefen Laternen… ach nee, kein Schrott, die werden noch benutzt… na, egal…

Und doch: Berlin ist schön! Nicht schick, nicht modern, nicht vorbildlich, nicht adrett, nein: schön! Und liebenswert! Und dem Paranoiker immer (wieder) eine Reise wert!

Das beweist schon alleine die Tatsache, daß er innert eines Jahres bereits die zweite Berlinliebeserklärung abgibt…  (die erste siehe hier).

Hat sich seitdem etwas, vielleicht sogar viel verändert? Wohl kaum – aber der Paranoiker sieht die Stadt aus anderen Perspektiven, hat er doch diesmal (endlich) keine dienstlichen Verpflichtungen im Nacken und auch etwas mehr Zeit. Und siehe da:

Berlin swingt! War es noch bis vor kurzem üblich, dass in jeder deutschen Großstadt oder denen, die sich dafür hielten, mindestens zwei Trupps Indios in der Tracht, die der Deutsche für landestypisch hält, von grauenhaftem Synthi-Gewaberer untermalt in Panflöten hauchten und einem, unter anderem, auf immer und ewig den Spaß an so manchem Simon & Garfunkel Hit vergällten, so sind mittlerweile osteuropäische Viererkombos auf dem Vormarsch, die, mit Kontrabass, Gitarre, Quetschkommode und Saxophon oder Klarinette bewehrt, vor sich hin jazzen. Alles in allem wäre dies ja eine begrüßenswerte Entwicklung, allerdings schaffen es diese Herren eine dermaßige Geräuschkulisse aufzubauen, dass die Ohren anfangen zu klingeln – ganz besonders bevorzugt sind natürlich Standorte genau vor oder gegenüber gastronomischen Einrichtungen, wo der sonnenhungrige Tourist oder Eingeborene auf dem Trottoir sitzend und seinen Latte oder sein Bier schlabbernd keine Chance hat, der Kakophonie zu entfleuchen, genauso wenig, wie dem salbungsvollen Blick, wenn denn der Hut kreist – gleich am ersten Abend mußte der Paranoiker auf sein wohlverdientes Kölsch in der ‚Ständigen Vertretung’ verzichten, weil das Spreeufer an diesem Tag wohl besonders Musiker-afin gewesen zu sein scheint. Nichtsdestotrotz, es sei angemerkt: qualitativ könnten einige dieser Straßenmusiker locker auf Jazzbühnen Erfolge feiern! Die schönste musikalische Darbietung genoss der Paranoiker allerdings abends auf dem Gendarmenmarkt, wo in beschaulicher Ruhe Hitze und Hektik von Berlin Mitte ausgeschlossen wurden, nicht zuletzt dank des wundervollen Geigenspiels einer begabten Dame.

Berlin ist schwul! Nirgends sonst (außer vielleicht in Amsterdam) hat der Paranoiker bisher so viele schwule Pärchen auf der Strasse gesehen. Berlin hat sogar ein ‚Schwules Museum’. Und wie schräg und andererseits eben dadurch auch auf angenehme Art normal diese Stadt ist, fällt einem gerade dann auf, wenn man so ungebremst aus dem konservativen Bayern einfällt. Und damit einher geht eine andere Eigenschaft der Hauptstadt:

Berlin ist entspannt! Um kurz nach neun Uhr morgens macht sich der Paranoiker auf in Richtung Museumsinsel, als vor ihm aus einer Tür ein junger Mann auf die Straße tritt, sich genüßlich seinen eindrucksvoll großen Joint anzündet, um sich dann neben seine verbollerte Vespa, die, mit einem Kettenschloß an einen Laternenmast gekettet, auf der Seite liegt, zu setzen und sein Kraut zu inhalieren. Überhaupt: Wäre der Paranoiker einmal schlecht drauf gekommen, er hätte nur ab und an tief im Vorübergehen inhalieren müssen, und alles wäre wieder easy gewesen… Berlin ist locker…

Berliner stehen gerne an! Und nicht nur im Osten, wo sie es ja noch von früher gewohnt sein dürften (autsch…!). Nee, direkt um des Paranoikers Ecke gab es beispielsweise einen Stand mit dem schönen Namen ‚Mustafas Gemüsekebap’. Während morgens noch Kopftuch-bewehrte Frauen fleißig besagtes Gemüse kleinschnibbeln, stehen spätestens ab Mittag ungelogen mindestens 50 oder mehr Leute an! Und am Currywurst-Stand daneben auch! Ist das Essen gerade hier so gut? Dem Paranoiker kommen Zweifel, als er an anderen Ständen und Buden vorbeikommt: Det is hier normal! So wird der Tourist gleich auf die langen Schlangen eingestimmt, die er vorfindet, wenn er eine halbe Stunde oder auch später nach Öffnung der Museen auf der Museumsinsel (siehe oben) etwas Kultur genießen will – von daher: entweder früh aufstehen… oder anstehen… oder halt mal an den richtigen Ecken tief durchatmen (siehe oben)…

Berliner sind nett! Jawoll! Kaum zu glauben, aber wahr. Vor etwas mehr als zehn Jahren weilte der Paranoiker in der Metropole, und damals wurde von der BVG, dem Berliner Verkehrsverbund (der trotzdem nicht BVV sondern BVG heißt – wen es interessiert, warum dies so ist, dem sei die Lektüre der ‚Gebrauchsanleitung für Berlin’ anempfohlen, wo auch sonst manch eine witzige Anekdote zu lesen ist), gerade die ‚Woche der Freundlichkeit’ ausgerufen, die sich darin niederschlug, daß in U- und S-Bahn nach dem lautsprecherverzerrten ‚Z’rücktreten’ ein gepresstes ‚Bit-te’ hörbar widerwillig nachgeschoben wurde – wie anders inzwischen! Gut, in der U- und S-Bahn hört man jetzt, wie anderorts auch, ein ‚zurückbleiben bitte’, obwohl sich der Paranoiker noch nie gerne attestieren ließ, er sei zurückgeblieben, aber ansonsten ist der jemeine Berliner aufgeschlossen, hilfreich und gut. Sogar die Bettler sind höflich und bedanken sich für ein paar Groschen. Und dem Paranoiker ist es sogar zweimal passiert, daß er auf der Straße mit ‚Probleme?’ angesprochen wurde. Sein ‚Nee, wieso’ wurde dann mit einem ‚Na, se ham so fragend ausjesehn’.

Teil 2

 

Eine zwanzigste Antikrise, oder: Schwein gehabt…

Der Paranoiker staunte – und musste schmunzeln, las er doch heute im Gemeindeblatt unter den Polizeinachrichten von einem jungen Wildschwein, welches sich anscheinend an einem schönen Maimorgen gegenüber des Kindergartens, sehr zur Freude der Kinder, an der Kirchmauer aufhielt. Und dann steht da folgender Satz: ‚Nachdem durch die Polizei der zuständige Jagdpächter verständigt worden war, entfernte sich das junge Wildschwein vorsichtshalber wieder.

Vorsichtshalber??!! Also nicht nur klein und putzig, sondern auch klug! Kaum vernimmt es, wem der Anruf galt, beschließt es, das Weite zu suchen. Nun, der Paranoiker kennt den Jagdpächter nicht und möchte auch gar nicht darüber nachdenken, was der denn mit dem Frischling vorgehabt haben mag, wäre er seiner habhaft geworden, aber das kleine Wildschwein hat da auf jeden Fall Schwein gehabt –  und eine gute Vorsichtshalber-Entscheidung getroffen…

Antikrise!!

Eine sechzehnte Kurz-Zwischenkrise, oder: Krimis und Wohnungen…

Der Paranoiker hat es ja bereits schon einmal gestanden: Ja, er liebt Krimis! Und seitdem er sich auch von zuhause aus – dem Ausbau des Netzes auch in den JottWehDeh-Gefilden (nein, das hat nichts mit dem Namen des Paranoikers zu tun!) des schönen Bayernlandes sei gedankt – auf youtube und der Mediathek bewegen kann, hat er seine alte Liebe zum altehrwürdigen Tatort nach fast 20 Jahren wieder entdeckt… und da gab und gibt es immer noch einiges auf- und nachzuholen!

Allerdings gibt es da immer mal wieder ein paar Details, die den Paranoiker denn dann doch stutzen lassen… daß die juristische Seite nicht immer so ganz den Gepflogenheiten entspricht, war beispielsweise erst kürzlich dem Zeit-Magazin einen längeren Artikel wert. Was den Paranoiker aber immer wieder, ja, er muß es gestehen, neidisch (!) werden lässt, das sind die Wohnungen! Ja! Die Wohnungen!!

Nun, so ein Hauptkommisar, der ist ja irgendwo bei A11 oder A12 angesiedelt – nicht schlecht, aber auch kein Salär, bei dem man große Sprünge machen könnte, zumal gemessen an dem Job. Muß der typische Tatort-Kommisar ja aber auch nicht, denn er ist ja sowieso alleinstehend… Gut, manche müssen Unterhalt zahlen, ganz wenige haben sogar regulär eine intakte Familie, aber… egal! Und dann wieder: diese Wohnungen! Es gibt Ausnahmen, gewiss… Zimmer in Pensionen (Leipzig, auch an Schimanski sei erinnert… wobei der ja oft auch bei einer gerade aktuellen Freundin unterkam… interessantes Modell übrigens!), WGs, die dann auch eine große Wohnfläche rechtfertigen (Ludwigshafen), Büros, die als Schlaf- und Musikzimmer dienen (Frankfurt), aber sonst… Neid! Gut, als alt-eingesessener Münchner mit laaaaangem Mietvertrag kann man sich wahrscheinlich auch heute noch großen Wohnraum in einer der teuersten Städte leisten, und im Osten der Republik sind die Mietpreise wohl immer noch etwas günstiger, aber trotzdem: wie machen die das?

Krise!!

Liebe Tatort– und Polizeiruf-Drehbuchautoren, bitte gebt dem Paranoiker doch einen kleinen Tip! Oder können da die Regisseure aushelfen? Oder liegt es an den Kameramännern? In des Paranoikers Wohnung wären generell Weitwinkelobjektive vonnöten und Kamerafahrten gänzlich unmöglich – Verfolgungsjagden (à la Stuttgart) gingen überhaupt nicht bzw. wären unspektakulär schnell zu Ende…

Nun, mit Blick auf den Tatort Münster ist es vielleicht auch gar nicht so schlecht, kein Tatort-Kommisasr zu sein. Fast in jeder Folge wohnt der Ärmste nämlich in einem anderen Stockwerk, auch ändert sich die Hausfassade des öfteren, das Treppenhaus ist immer anders, auch die Türenfarben ändern sich permanent… zudem wirkt die Tür, wird sie einmal heftiger zugeworfen, sehr Sperrholz-lastig… es wäre dem Paranoiker doch sehr lästig, nie zu wissen, wie denn das Umfeld seiner Wohnung abends, wenn er nach Hause kommt, aussieht…

… dann doch lieber keine Sonntagabend-Krimi taugliche Wohnung… und dafür gespanntes Warten auf den nächsten Tatort-Termin…

 

Eine neunzehnte Antikrise, oder: Bio, Freundschaft und Narzissmus…

Der Paranoiker weilt ob der grassierenden Erkältungswelle(n) zuhause und hat dadurch mal wieder etwas Zeit zu lesen (sowohl ‚Die Zeit‘ als auch andere Lektüre), und da gibt es doch immer wieder Erstaunliches zu entdecken!

‚Je mehr Freunde, desto selbstverliebter’… so titelt des Paranoikers zweithäufigst gehörter Radiosender dieser Tage auf seiner Heimseite. Es geht, wie soll es in diesen Tagen anders sein, um facebook, und einer Studie zufolge, an der 300 Probanden teilnahmen (bei, laut facebook-eigenen Angaben von derzeit 845 Mio. aktiven Nutzern entspricht das, äh…, Moment…, ungefähr 0,0003 Promille der Mitglieder, wenn sich der Paranoiker nicht grob verrechnet haben sollte – das verspricht doch eine hohe Aussagekraft! Immerhin entspräche dies beispielsweise dem Versuch, den Ausgang einer Bundestagswahl, eine Zahl von ungefähr 60 Mio. Wahlberechtigten in Deutschland vorausgesetzt, auf der Basis der Befragung 20 zufällig ausgewählter Personen vorherzusagen… hüstel…, aber: egal!), sind Nutzer mit einer hohen Zahl an facebook-Freunden narzisstisch veranlagt! Diese aktualisieren anscheinend auch häufiger ihren Status, wechseln häufiger ihre Profilbilder und posten öfters provokante Statusnachrichten. Auch wenn es sich nicht an einer genauen Anzahl festmachen lasse, ab der der Narzisst geoutet sei, so werde die Zahl 300 als Grenzwert diskutiert.

Puh, noch mal Glück gehabt! Der Paranoiker ist bei knapp über 200, ergo über jeden Zweifel erhaben. Andererseits gab es ja bereits eine andere Studie, die nahelegte, daß man umso mehr graue Zellen, sprich Gehirnleistung habe, je mehr Freunde man auf facebook vorweisen könne… Oh, dieser Zwiespalt!

In seiner liebsten Wochenzeitung las der Paranoiker kurz darauf einen Artikel über Biowarenkäufer und deren Psyche… Demnach fühlen sich diese Menschen häufig moralisch überlegen, denn sie haben durch den Kauf etwas Gutes getan (sich selbst, der Umwelt, …) und legen demnach in Wahrnehmungstest und Fairnessspielen ein egoistischeres und unsozialeres Verhalten an den Tag. Gleichzeitig sind in Deutschland die gut ausgebildeten Besserverdienenden die fleissigsten Bioproduktkäufer.

Also: Hütet euch vor Akademikern mit guten Jobs, die biologisch einkaufen und gleichzeitig viele Freunde bei facebook haben! Sie sind selbstverliebte, absolut egoistische und unsoziale A**********! Zumindest wenn man den mehr oder weniger aussagekräftigen Studien Glauben schenken mag.

Und der Paranoiker? Antikrise! Ganz entspannt… und darauf bedacht, der magischen Grenze von 300 nicht zu nahe zu kommen…

In diesem Sinne: Freundschaft!