Der Paranoiker macht am gefühlt heißesten Tag des Jahres auf der Heimfahrt von Berlin einen kleinen Abstecher nach Potsdam – nachdem sich das Navi mehrfach verschluckt hat, ist er mitten in der Stadt und bekommt dadurch eine kleine Rundfahrt gratis, obwohl er doch eigentlich schnurstracks zum Park wollte… sei’s drum: Brandenburger Tor, holländisches Viertel etc. lassen sich, bedingt durch zäh fließenden Verkehr, wunderbar gebührend bestaunen.
Doch dann, endlich: Sanssouci! Und Sanssouci ist teuer! Parken kostet ein kleines Vermögen (selbst schuld… wozu gibt’s öffentliche Verkehrsmittel!), die Besichtigung des Schlosses kostet dann noch mal 12 Euro – dafür wird man aber immerhin innerhalb einer halben Stunde per Audioguide durch die Räumlichkeiten gescheucht. Der Park hingegen kostet: nichts! Am Eingang wird der Paranoiker von einer nicht nur gutaussehenden, sondern auch überaus charmanten Dame begrüßt, die um einen freiwilligen Obulus bittet, den der Paranoiker ob dieser Umstände natürlich gerne gewährt. Im Schloß gilt es Seidentapeten und Gemälde zu bestaunen sowie Gästezimmer und Schlafnischen zu betrachten – viel spannender ist es allerdings, die Mitbesichtiger zu beobachten – etliche haben anscheinend ihre drei Euro Photographiererlaubnis bezahlt und knipsen wild vor sich hin, während sie den akustischen Ausführungen in allerlei Sprachen lauschen… der Paranoiker zumindest strömt dem Ausgang etwas enttäuscht entgegen. Dort wartet ein netter Aufseher, der die Abgabe der Audioguides überwacht, den der Paranoiker, ganz auf die praktischen Probleme des Lebens fixiert, denn auch gleich fragt, wo denn hier im Schloß eigentlich die Toiletten seien. ‚ Na, raus aus’m Schloß und links über die Straße’ lautet die Antwort. Nein, nicht für die Touris, sondern die für die ehemaligen Bewohner jenes Monumentes. ‚Kam det nich vor im Audijogeid? Na, die hatten keene Toiletten, nur Puderzimmer (das erzählt jener Herr hoffentlich nie einem Österreicher… gnnn…)… Det ham die dann allet im Park entsorcht…‚ Na, Mahlzeit! Jener Feingeist Friedrich der Große – Französisch palieren, ne tolle Bibliothek haben (die ist echt sehenswert!), alle Geistesgrößen seiner Zeit zu sich laden, Querflöte spielen, aber sich nicht waschen…? ‚Det war halt so, Toiletten und n Bad wurden erst knapp 100 Jahre später einjebaut. Die ham wohl fünf Meter jegen’n Wind jestunken, damals. Detwejen sacht man ja och ‚Adel stinkt’ oder ‚Jeld stinkt’.’Da hört dann die Authentizität dann allerdings auf, denn der ‚Friedrich’ in vollem Kostüm, der am Parkeingang die Querflöte malträtiert, verströmt glücklicherweise keinen auffälligen Geruch. Dafür ist da wieder jene charmante Dame, die dem orientierungslosen Paranoiker einen Parkplan vermacht und ihn auch noch mit Wegvorschläge versorgt. Eine nette Nebenannekdote liefert noch der Blick bergan, denn dort thront am höchsten Punkt eine Ruine, die schon als solche vom Bauherren geplant worden war (anscheinend der letzte Schrei zu jener Zeit) – diese Ruine liefert zwei nette Stichworte: zum einen war und ist dort das Wasserreservoir, aus dem die Springbrunnen auf der anderen Schloßseite betrieben wurden und werden (kein Wasser zum Waschen, aber Springbrunnen sprudeln lassen…tss), zum anderen wird die Ruine gerade renoviert (dies übrigens eine ganz und gar trockene Bemerkung eines Mitbesichtigers, der sich der Ironie offensichtlich nicht bewußt war…).
Der Park lohnt sich – auch hier vermißt der Paranoiker allerdings schmerzlich ein Fahrrad, mit dem sich andere Besucher in der brütenden Mittagshitze leichträdrig bewegen… Wuchtige Baukunst vereint sich mit Weitläufigkeit – eine immer noch genutzte beeindruckende Windmühle (würde natürlich wieder Eintritt kosten) leitet über zu einer gigantischen Orangerie (kostete natürlich wieder extra Eintritt) – hier vergnügte sich also die damalige high society, während das Volk darbte und in den Krieg ziehen durfte… sans souci… ‚ohne Sorgen’… die Springbrunnen sprudeln, die Feigen gedeihen, die Sonne scheint herab auf die Goldpracht eines chinesischen Teehauses… nun, vielleicht geht der Sozi mit dem Paranoiker durch, aber so richtig erfreuen mag er sich nicht mehr an all der Pracht, und auf eine Ausstellung über den ‚Fritz’ im Neuen Palais hat er auch keine Lust mehr…
Im Park sitzt eine junge Mutter mit einem in Windeln gewandeten Kinde, welches, des Paranoikers angesichtig, den Zeigefinger gegen jenen ausrichtet und laut ‚Papa’ kräht – der Paranoiker stutz, der Schweiß bricht ihm aus (liegt es an der Hitze?) – ‚Äh, kann ich mich da an was nicht erinnern?’ ‚Nee’, grinst die Mutter, ‚ sein Vater is’ nur ooch so dunkel!’ Puh, Glück gehabt…
Apropos ‚dunkel’: dunkel und dankbar erinnert sich der Paranoiker der Ortsangabe der Toiletten und gönnt sich anschließend noch ein Eis, bevor er sich, vorbei an der inzwischen beeindruckend langen Schlange vor dem Kartenverkauf (det ham’se ja alle schon üben können, wenn se vorher in Berlin war’n…), auf den Weg macht, der ihn, ob seines Navis mit offensichtlichem Schluckauf, wieder quer durch Potsdams Nebenstraßen führt – oder lag es doch an der Hitze und dem dräuenden Gewitter? Egal…